Es gibt kein Neutralitätsgebot

Besonders auch in diesem Jahr gibt es in unterschiedlichen Feldern der Jugend- und Bildungsarbeit eine verstärkte Auseinandersetzung darüber, wie eine politische Bildung/ Demokratiebildung zu verstehen sei und inwiefern sich Institutionen der politischen Bildung, so auch Träger der Jugendhilfe, politisch-demokratisch gegen Diskriminierung und Anfeindungen positionieren können.

Dabei wird bei einer entsprechenden Kritik an Trägern, Angeboten oder Positionen häufig der Begriff eines sogenannten "Neutralitätsgebots" ins Feld geführt. Zudem werden demokratische und solidarische Positionierungen oft als "autoritär", "linksextrem" oder anderweitig als scheinbar undemokratische Haltungen diffamiert. Hierin liegt die deutliche Gefahr einer Diskursverschiebung, in welcher ein ausschließlich formalistischer Demokratiebegriff gestärkt wird, in dem demokratische Wertebezüge, Solidarität und der Schutz vor, wie auch die Kritik an Diskriminierung, als unbotmäßige Standpunktbestimmung missverstanden werden. Genau dies aber stärkt undemokratische Macht- und Diskriminierungsverhältnisse und entsprechende Akteur*innen und nicht die Demokratie selbst.

Die eingeforderte "Neutralität" soll daher vor Kritik an diskriminierenden Haltungen und Dynamiken schützen und die Handlungsräume einer vielfältigen politischen und demokratischen Bildung einschränken.

Das SGB VIII beauftragt Fachkräfte, sich als Professionelle zu den politischen Verhältnissen zu positionieren und hierzu entsprechend mit den Adressat*innen zu arbeiten. Dass dabei auch gesellschaftliche Machtverhältnisse und Formen (struktureller) Diskriminierung in den Blick zu nehmen sind, versteht sich von selbst.

 

 

Zudem wird der Begriff des "Neutralitätsgebots" fälschlicherweise als Teil des "Beutelsbacher Konsenses" zur politischen Bildung verstanden.

Hier ist Politik in der Verantwortung "zur Absicherung einer menschenrechtsorientierten und demokratischen Prinzipien verpflichteten Praxis den Unterschied zwischen der Auslegung des für Staatsorgane und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geltenden parteipolitischen Neutralitätsgebots und den politisch bildenden Leitprinzipien des Überwältigungsverbots, des Kontroversitätsgebots und der Teilnehmerorientierung zu klären" so die Sachverständigenkommission des 16. Kinder- und Jugendberichts (BMFSFJ 2020, S. 414). Hier anschließend hält die Kommission fest: „Politische Bildung kann nicht neutral sein, denn die Orientierung junger Menschen an demokratischen Werten und die Entwicklung kritischer Urteilskraft ist ihr vornehmstes Ziel“ (BMFSFJ 2020, S. 11 - Zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen)

Dem gemäß gibt es aber kein "Neutralitätsgebot" politischer Bildung. Es wurde sich hier auf die drei folgenden, handlungsleitenden Prinzipien bzw. Qualitäten einer demokratischen politischen Bildung verständigt.

1. Überwältigungsverbot

"Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu hindern"

2. Kontroversitätsgebot

"wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten"

3. Gebot der Adressat*innenorientierung

"Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen" (Zitate jeweils von BpB)

 

Anliegen hier ist es, Debatten, die in den Arbeitsfeldern geführt werden, mit Materialien zu untersetzen. Es wird dabei auf passende Materialien und Positionierungen anderer Institutionen verwiesen.

Gleichzeitig bieten wir auch an, gemeinsame Beratungen durchzuführen.

Auf einen Blick: Handout          Hinweise aus dem 16. Kinder- und Jugendbericht

Kontakt: mut@agjf-sachsen.de


 

Handreichung "Alles - Nur nicht neutral"

Alles - Nur nicht neutral. Eine Handreichung für die Jugendarbeit zum Umgang mit Neutralitätseinforderungen und politischen Interventionen.

Zusammen mit der BAG Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen ist diese Handreichung zum Umgang mit Neutralitätsanforderungen für Jugendarbeiter*innen und Unterstützer*innen entstanden. Ihr Ziel ist es, eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Thematik zu befördern. Sie soll hiergegen politisch stärken und im Arbeitsfeld solidarische Bündnisse für eine sichtbare und handlungsfähige, demokratisch positionierte Offene Kinder- und Jugendarbeit voranbringen

Druckexemplar kostenlos bestellen bei mut@agjf-sachsen.de

Broschüre Jugendarbeit im Gegenwind

Jugendarbeiter*innen, Projekte und Aktivitäten der Demokratiebildung stehen immer wieder unter Druck von Neutalitätsanforderungen und politischen Interventionen. Die Broschüre ist das Ergebnis des gleichnamigen Fachsalons im Herbst 2020 und anderer hierauf bezogener Veranstaltungen. Sie war Anlass und soll Auftakt sein, Erfahrungen, Stimmungen und Bedarfe der Fachpraxis aufzugreifen, zu politischen Einflussnahmen auf das Arbeitsfeld der Jugendarbeit und deren Auswirkungen auf die demokratische Bildungsarbeit vor Ort. Weiterlesen

Forschungsprojekt/Studie "Stay With The Trouble"

Die Publikation von Nils Schuhmacher, Moritz Schwerthelm und Gilian Zimmerman, welche von der BAG OKJE gemeinsam mit verschiedenen Landesverbänden in Auftrag gegeben wurde, stellt die Ergebnisse einer bundesweiten Studie zu Infragestellungen, Einflussnahmen und Angriffen im Arbeitsfeld dar. Dazu wurden knapp 300 Fälle unter verschiedenen Fragestellungen analysiert: Wer sind die Betroffenen? Welche Konzepte und Inhalte werden infragegestellt? Was sind Anlässe von Interventionen? Welche Auswirkungen haben sie? Und wie gehen die Betroffenen damit um? Weiterlesen

Positionspapier zum Wahljahr 24

Das Positionspapier der John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie zum Wahljahr 2024 und seinen besonderen Herausforderungen für die politische Bildung in Sachsen.

Darin wird sich mit den folgenden Fragen auseinandergesetzt:

"Sollte die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (oder auch andere Träger:innen zur politischen Bildung) tatsächlich Vertreter:innen der AFD in die häufig als Wahlforen bezeichneten Veranstaltungen einladen, insbesondere wenn solche Foren auch im schulischen Kontext durchgeführt werden? Können wir es in Sachsen wirklich verantworten, AFD-Vertreter:innen in Schulen einzuladen mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen einen Eindruck zu vermitteln, wer sich in dieser Wahl so alles für Ämter bewirbt? Aber auch umgekehrt, wie gehen wir damit um, wenn sich Schülerinnen und Schüler oder ganze Klassenverbände  – in ihrer Unterrichtszeit – an Demonstrationen beteiligen wollen, die sich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen? Und last but not least: Wie gehen wir mit Lehrkräften um, die sich für die AFD um Ämter bewerben?"

Veröffentlicht hier: "Positionspapier zum Wahljahr 24"

Demokratisch und nicht indifferent – Orientierungen und Positionierungen zum Neutralitätsgebot in der Kinder- und Jugendhilfe

Ein neues Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Aus dem Abstract:

"Träger und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie Ehrenamtliche sind zunehmend mit demokratie- und menschenfeindlichen Überzeugungen konfrontiert. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ möchte der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe mit diesem Positionspapier Orientierung bieten, was das Grundgesetz mit seinem parteipolitischen und religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebot meint, wie die Praxis diese Grundpfeiler einer freiheitlichen Demokratie in ihre Arbeit integrieren und Instrumentalisierungen und bewusste Fehlinterpretationen, u. a. von rechten Gruppierungen, entgegentreten kann."

Download

Veröffentlicht hier: Positionspapier "Demokratisch und nicht indifferent"

 

 

Rechtsexpertise für politische Bildung und Rechtsextremismusprävention

Extrem neutral? Verfassungs-, Sozial- und Datenschutzrecht: Anforderungen und Potenziale für politische Bildung, Extremismusprävention, Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit mit rechtsextremen Kindern und Jugendlichen, eine Rechtsexpertise für politische Bildung und Rechtsextremismusprävention zur demokratischen Bildung und Bildungsaufträgen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern auch der Kinder- und Jugendhilfe, sowie mit umfangreichen Ausführungen zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen in den entsprechenden Arbeitsfeldern.

Veröffentlicht von cultures interactive

 

Material

Um dem Thema analog und virtuell mehr Schwung zu verleihen, steht Material zur Verfügung, welches heruntergeladen und in gedruckter Form bestellt werden kann. (Bestellwünsche der gedruckten Materialien per Mail an mut@agjf-sachsen.de)

Zum Download stehen die Materialien auch auf unserer Materialseite bereit.

 

 

 

 

 

 

 

Informationen

 

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: 16. Kinder- und Jugendbricht

Bericht zum Schwerpunkt "Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter"

Gesamtbericht   Zentrale Erkenntnisse   Hinweise zur Neutralitätsdebatte

 

Bundeszentrale für politische Bildung: Beutelsbacher Konsens

"Beutelsbacher Konsens" als wichtige Referenz für die anerkannten fachlichen Prinzipien politischer Bildung in der Bundesrepublik

Artikel

 

Aufstehen gegen Rassismus: Zum "Neutralitätsgebot" in der politischen Bildung. Analysen und Argumente für klare Positionen gegen die AfD und ihre Versuche, kritische politische Bildung zu verhindern.  

Handreichung mit Argumenten gegen ein vermeintliches "Neutralitätsgebot" in der politischen Bildung. Dazu passend gibt es einen Vortrag auf YouTube von Christian Schneider.

Handreichung

Deutsches Institut für Menschenrechte: Das Neutralitätsgebot in der Bildung. Neutral gegenüber rassistischen und rechtsextremen Positionen von Parteien?

Broschüre zu menschenrechtlichen Anforderungen an Bildungsarbeit mit Fokus auch auf rechtliche Anforderungen bzgl. der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb und damit einhergehender parteipolitischer Neutralitätsgebote.

Broschüre

Interview zum Thema

Rassismus darf nicht ignoriert werden

"Die AfD übt immer unverhohlener Druck auf kritische Lehrkräfte aus. Im Interview erklärt Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte, wie diese darauf reagieren können."

Das gesamte Interview hier.

 

Deutscher Bundesjugendring: Werkstätten der Demokratie - politische Bildung von Jugendverbänden und Jugendringen stärken und schützen

Positionspapier zur Bedeutung der nicht-neutralen Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und anderen demokratieablehnenden Haltungen.

Positionspapier

 

Bayrischer Jugendring: Jugend und Demokatie-Bildung. Zum Umgang mit Parteien in der politischen Bildungsarbeit in der Jugendarbeit

Broschüre zu Jugendarbeit als Ort der Demokratiebildung, Verständnis von Neutralität, Rahmensetzung der Gemeinnützigkeit mit Beispielen für problematische und unbedenkliche Maßnahmen.

Broschüre

 

Weimaer Erklärung für demokratische Bildungsarbeit

Erklärung über die Grundlagen und Aufgaben historischer, politischer und kultureller Bildung gegenüber einem behaupteten "Neutralitätsgebot"

Erklärung

 

Gilde Soziale Arbeit e.V.: Bielefelder Erklärung 2019. Sozialarbeitende gegen Autoritarismus und Menschenverachtung

Erklärung zur Positionierung Sozialer Arbeit gegenüber völkisch-nationalistischen Angriffen auf Demokratie und Gemeinwesen

Erklärung

 

Friedhelm Hufen: Politische Jugendbildung und Neutralitätsgebot

Artikel zu rechtlichen Rahmenbedingungen politischer Bildungsarbeit bei freien Trägern

Quelle: RdJB Recht der Jugend und des Bildungswesens, Jg. 66, Heft 2/2018, Seite 216 - 221

 

IDA Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.: Das Extremismusmodell. Über Seine Wirkungen und Alternativen in der politischen (Jugend-)Bildung und der Jugendarbeit

Broschüre zu Grundlagen des Modells, Kritik am Modell, Alternativen Beschreibungen und Perspektiven für die Praxis

Broschüre

 

Amadeu Antonio Stiftung: Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD

Broschüre zur demokratischen (Bildungs-)Arbeit auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen und zum Umgang mit Anfeindungen und Infragestellungen demokratischer Grundprinzipien.

Broschüre

 

Deutsche Vereinigung für politische Bildung e.V.: Gemeimsame Stellungnahme zur AfD-Meldeplattform "Neutrale Schulen"

Stellungnahme zur Fehlinterpretation des Grundkonsenses zur politischen Bildung

Stellungnahme

 

Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft: Fragen und Antworten zu den Meldeportalen der AfD

Artikel zu gesetzlichen Grundlagen für politische Bildung in der Schule, den Sinn und Zweck des Beutelsbacher Konsens sowie Handlungsorientierungen für Lehrer*innen und Netzwerkpartner*innen mit einer Übersicht zu wichtigen Fragen und Antworten

Artikel

 

 

Kontext Schule

Umfangreiches Material mit Fokus auf die "Neutralitätsdebatte" in und um Schule und damit einergehende Auswirkungen und Ansprüche an politische Bildung finden sich hier:

 

Sozialkompetenz für die Arbeitswelt - Landesnetzwerk SKA #nichtneutral (Netzwerk Courage, Sachsen)

Hier finden Sie Erklärungen, Hintergrundinformationen und Argumente, die Sie in ihrem pädagogischen Auftrag unterstützen und aufzeigen, warum Sie gar #nichtneutral sein können und dürfen.

 

Netzwerk Courage:

Handreichung #nichtneutral – Schule unter Druck. Wertebildung am Pranger?

Handreichung 

 

Weiterdenken/Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen:

Rubrik-Seite die Orientierung und Information zum Thema für Lehrende bietet.

Rubrik #nichtneutral